Krieg und Erinnerung – eine Tagung in Wien
Tagung- Datum:
- Ort:
- Wien
- Lesedauer:
- 3 MIN
Kriege hinterlassen Spuren, sie prägen Menschen, kollektive Gedächtnisse aber auch Landschaften. Erinnerungen werden bewahrt, teils auch geformt und für bestimmte Zwecke genutzt. Wie diese Spuren erhalten werden, welche Formen der Erinnerung es gibt, welche Zwecke sich damit verbinden – diesen und weiteren Fragen widmete sich eine Fachtagung in Wien.
Die österreichische Bundesministerin für Landesverteidigung, Klaudia Tanner, spricht zur Eröffnung der Tagung 2025
BMLV/Daniel TrippoltBegrüßt von der österreichischen Bundesministerin für Landesverteidigung, Klaudia Tanner, trafen sich Anfang Oktober Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Museumsfachleute und Interessierte, darunter Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Einrichtungen der Bundeswehr – ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, MHMBwMilitärhistorisches Museum der Bundeswehr in Berlin und Dresden, Universität der Bundeswehr München sowie BMVgBundesministerium der Verteidigung –, zu einer Tagung im Heeresgeschichtlichen Museum (HGM) in Wien. Thema waren „Spuren des Krieges und ihre Verarbeitung“, das zeitliche Spektrum umfasste kriegerische Ereignisse seit der Antike. Veranstaltet wurde die Tagung vom Heeresgeschichtlichen Museum, der Professur für Zeitgeschichte der Universität Wien und dem Arbeitskreis Militärgeschichte e.V.eingetragener Verein
Der Tagungsort war das Heeresgeschichtliche Museum. Es befindet sich in einem repräsentativen Prachtbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und gehört zu den international herausragenden Militärmuseen. Seine Dauerausstellung wird zurzeit umfassend überarbeitet und erneuert. Dementsprechend boten sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung ebenso Ausstellungsabschnitte, die bereits Jahrzehnte alt sind, als auch solche jüngsten Datums sowie leere Räume, die für den Aufbau der Ausstellung vorbereitet werden.
Tagung in der Ruhmeshalle des Heeresgeschichtlichen Museums, Wien
Bundeswehr/Christopher OestereichKriegerische Ereignisse prägen das kollektive Gedächtnis. Dieses macht sich fest an Erinnerungen, Erzählungen, auch Liedern sowie kleinen und großen Objekten mit Erinnerungswert. Gedenksteine und Triumphbögen prägen nicht nur das Umfeld, sondern sie zeigen, wie zu früheren Zeiten der Kriege und der Opfer gedacht wurde. Museen sind seit dem 19. Jahrhundert ein üblicher Rahmen, Kriege zu thematisieren und ihre Geschichten anhand ihrer Hinterlassenschaften zu erzählen.
Folgerichtig stand im Mittelpunkt der Wiener Tagung die Verarbeitung von Spuren des Kriegs im musealen Kontext. Schon das erste Beispiel, das am tiefsten in die Geschichte zurückreichte, die „Varusschlacht“ im Jahr 9 n.Chr., machte deutlich, wie mit Erinnerung an Krieg kollektives Gedächtnis auch gelenkt und für bestimmte Zwecke genutzt werden kann. Ebenso wird an diesem Beispiel deutlich, dass Erinnerung und Gedenken immer umstritten und von einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess abhängig sein können. Moderne Armeemuseen allgemein, die aus Feldzügen mitgebrachten Trophäen sowie nach Kriegen errichtete Denkmäler sind ebenfalls Versuche, die Erinnerung an Kriege maßgeblich zu deuten. Dies wurde etwa in Vorträgen zu wichtigen Objekten aus dem Bayerischen Armeemuseum, Kamikaze-Museen in Japan, zum musealen Umgang mit den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er-Jahren sowie zu musealen Einrichtungen der Bundeswehr deutlich gemacht. Gedenken und Vermittlung beziehen auch Landschaft und Stadtraum mit ein, wie Beiträge zur Schlacht im Hürtgenwald 1944/1945 gewidmeten Erinnerungsstätten, zum australischen Gedenken an den Ersten Weltkrieg sowie zu den Denkmälern zu beiden Weltkriegen in Österreich und Slowenien zeigten.
Gruppenfoto der Teilnehmenden der Tagung
BMLV/Daniel TrippoltWeitere Themen waren das Gedenken in Form der “Schweigeminute“, die zuerst in Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg praktiziert und zur regelmäßig wiederkehrenden Form des kollektiven Gedenkens wurde. Selbst die „Luft als Erinnerungsfigur“ ist aus künstlerischer Perspektive Gegenstand der Auseinandersetzung mit vergangenen kriegerischen Ereignissen, wie ein Beitrag aus Polen zeigte.
Die Tagung blickte wiederholt nach Ostmitteleuropa – Polen, Ukraine und Belarus –, wo der Zweite Weltkrieg und die deutsche Besatzung, aber auch die Nachkriegszeit unter sowjetischer Herrschaft sowie nicht zuletzt die aktuellen Ereignisse besonders tiefe und schmerzliche Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen haben.
Ebenso überraschende wie interessante Einblicke boten Beiträge zum digitalen Kriegsspiel sowie zum Reenactment, also dem vermeintlich authentischen Nachleben vergangener Ereignisse und Zeiten – beides auch Formen des Erinnerns, die zudem eine gewisse Popularität genießen.
Formen der Erinnerung und der Verarbeitung von Kriegen sind vielfältig. Sie unterliegen einem stetigen Wandel. Und sie sind immer wieder umstritten. Das wurde auf der Tagung in eindrucksvoller und anschaulicher Weise vor Augen geführt. Dass vonseiten der Bundeswehr verschiedene unterschiedliche Stellen beteiligt waren, zeigt die Relevanz ihrer Arbeit für die militärgeschichtliche Forschung und Vermittlung.
von Christopher Oestereich