Ein turbulenter runder Geburtstag
Bundeswehr- Datum:
- Ort:
- Potsdam
- Lesedauer:
- 3 MIN
Im zu Ende gehenden Kalenderjahr konnte die Bundeswehr ihren 70. Geburtstag feiern. Über gewalttätige Aktionen ist in diesem Zusammenhang nichts bekannt geworden. Davon, dass dies nicht immer so war, legt unsere Quelle Zeugnis ab.
Die historischen Dokumente sind Kopien von Originalen aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv.
Bundewehr/Andrea NimpschRund um den 30. Geburtstag der Bundeswehr im Jahr 1985 wurden Angehörige sowie Einrichtungen der Bundeswehr und der NATONorth Atlantic Treaty Organization zum Gegenstand verschiedener Aktionsformen, die von legitimer friedlicher Protestkundgebung bis zu Anschlägen aus dem linksterroristischen Milieu reichten.
Das lässt sich dem vorliegenden Wochenbericht des Amts für Nachrichtenwesen der Bundeswehr zur regionalen Sicherheitslage für die Woche entnehmen, in die der 30. Geburtstag fiel. Diese Wochenberichte erhielt eine Reihe von Bundeswehrdienststellen auf Kommando- bzw. Divisionsebene.
Den Schwerpunkt der Vorkommnisse sieht der Bericht in „Demotivationsaktionen“, die sich gegen öffentliche Gelöbnisse wehrpflichtiger Rekruten richteten. Die Aktivisten waren gegenüber den Bürgern, die diesen Gelöbnissen beiwohnten, stets deutlich in der Minderheit. Sie setzten nicht auf Argumente, sondern auf Lautstärke. „Trillerpfeifen und Presslufthupen“ gehörten zur Standardausrüstung. Wo möglich, so in Osterode, versuchten sie, durch Beschallung aus nahegelegenen Immobilien den Ablauf der Zeremonie zu beeinträchtigen. In solchen Fällen half nur das zeitweise Abschalten des elektrischen Stroms in den betreffenden Häusern. In Kassel wurde ein Transparent mit der Aufschrift „Öffentliches Gelöbnis hat tödliche Tradition“ gezeigt – eine Anspielung auf das Dritte Reich, die völlig verkannte, dass die Bundeswehr nicht in der Tradition der Wehrmacht stand.
Waren derartige Aktionen fraglos ein Ärgernis für die Verbände, die die öffentlichen Gelöbnisse durchführten, so bewegten sie sich doch zumeist innerhalb der Legalität. Von anderem Kaliber waren beabsichtigte Anschläge auf das Pipeline-System der NATONorth Atlantic Treaty Organization („nato-pplsystem“). Die NATONorth Atlantic Treaty Organization unterhält verschiedene Pipeline-Systeme, die die Versorgung ihrer Verbände mit Treibstoff sicherstellen. Das zentraleuropäische System, das Standorte in Frankreich, den Beneluxstaaten und Deutschland versorgt, ist das umfangreichste dieser Systeme.
Wochenbericht des Amts für Nachrichtenwesen der Bundeswehr zur regionalen Sicherheitslage
Bundesarchiv, Abteilung MilitärarchivVerantwortlich für das verbrecherische Vorhaben zeichnete eine linksextreme Splittergruppe, die u. a. einen Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) freipressen wollte. Nachdem die erpresserischen Forderungen bei einer Presseagentur eingegangen waren, konnte der deponierte Sprengsatz entdeckt und unschädlich gemacht werden.
Mit den Sprengsätzen anderer gewaltbereiter Aktivisten gelang das nicht. Im niedersächsischen Unterlüß wurde ein zur dortigen Niederlassung der Firma Rheinmetall führender Schienenstrang gesprengt. Das Unternehmen hatte damals offenbar noch nicht seinen heutigen Bekanntheitsgrad. Selbst in diesem bundeswehrinternen Dokument hielt man die Erläuterung für nötig, dass es sich um einen „Zulieferbetrieb für die Bundeswehr“ handele.
Ins Visier gewaltbereiter Bundeswehrgegner geriet auch das Verteidigungsbezirkskommando 45 (VBK) in Neustadt an der Weinstraße. Die VBKs waren als nachgeordnete Behörden der Wehrbereichskommandos für die Organisation des Territorialheeres zuständig, also für die weitgehend inaktiven Truppenteile, die im Verteidigungsfall aktiviert werden und Aufgaben im rückwärtigen Raum wahrnehmen sollten. Ein drei Kilogramm schwerer Sprengsatz verursachte am Gebäude des VBK 45 einen Schaden von immerhin 30.000 D-Mark.
Text und Dokument zum Herunterladen
von Christoph KuhlDie abgebildeten historischen Dokumente sind Kopien von Originalen aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv.