„In Stahlgewittern“ - zwischen Antikriegspropaganda und Kriegsverherrlichung
„In Stahlgewittern“ - zwischen Antikriegspropaganda und Kriegsverherrlichung
- Datum:
- Ort:
- Potsdam
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- 2 MIN
Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ ist ein detailgetreuer Bericht seiner Erlebnisse im Ersten Weltkrieg. Über die Genese und den Wandel dieses Buches referierte Prof. em. Dr. Helmuth Kiesel am 18. Juni im sehr gut gefüllten Vortragssaal des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.
Der Kommandeur des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Oberst Dr. Frank Hagemann, begrüßte den Referenten des Abends und eine große Zuhörerschaft. Er führte sodann kurz in die Vita Ernst Jüngers ein. Die Vorstellung von Prof. Kiesel übernahm Oberstleutnant Dr. Christian Stachelbeck. Helmuth Kiesel war bis 2015 Professor für Neuere deutsche Literatur in Heidelberg. Sein Forschungsschwerpunkt war die Geschichte der deutschsprachigen Literatur von 1918 bis 1945. Als Herausgeber der 2013 erschienenen kritischen Ausgabe von Jüngers „In Stahlgewittern“ ist er einer der ausgewiesenen Experten für dieses Thema.
Vom Tagebuch zum Bestseller
Professor Kiesel erläuterte zunächst die Entstehungsgeschichte des Werkes. So hatte Ernst Jünger während des Krieges an der Westfront fast täglich Aufzeichnungen gemacht und dabei ungeschönt das Erlebte niedergeschrieben. Diese handschriftlichen Aufzeichnungen entsprachen ca. 450 Druckseiten und wurden von ihm zum Teil ohne nachträgliche Überprüfung auf ihre Richtigkeit als Grundlage für sein Buch “In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers“ genommen. Jüngers Tagebücher geben Hinweise auf seine Einstellung zu Krieg und Monarchie, spiegeln aber ebenso sein Seelenleben wider, wenn er seine Ängste an der Front beschreibt.

Es ist ein erschütterndes Leidensbuch.
Ein Werk in sieben Fassungen
In einem weiteren Schritt zeigte Prof. Kiesel auf, welchen Veränderungen „In Stahlgewittern“ unterzogen wurde. Von der Erstveröffentlichung 1920 bis zur Ausgabe 1978 wurde der Text sechs Mal überarbeitet. Kiesel unterteilte die Überarbeitungen in überwiegend stilistische und inhaltliche. So war die dritte Ausgabe 1924 stark nationalistisch geprägt. Um aber einer Vereinnahmung durch den NSNationalsozialismus-Staat möglichst entgegenzuwirken, wurden viele dieser Passagen für die Ausgabe 1934 wieder entfernt. In den Ausgaben nach 1945 finden sich dann auch Spuren von Textbearbeitungen, bei denen der Autor seine Erlebnisse im und sein Wissen über den Zweiten Weltkrieg einfließen ließ.
Außerdem ordnete Helmuth Kiesel die Publikationen Jüngers in den Kanon der Schriften, die den Ersten Weltkrieg thematisieren, ein. So ist Jüngers „In Stahlgewittern“ im Gegensatz zu Erich Remarques „Im Westen nichts Neues“ kein fiktionaler Text, sondern ein Erlebnisbericht. Von anderen Erlebnisberichten unterscheidet sich Jüngers Buch jedoch insofern, als es keine Gruppenperspektive bietet und der Erzähler auch nicht neutral im Hintergrund steht. Jünger schreibt in der Ich-Form und aus der Perspektive des Selbst-Erlebten.
Rezeption: Zuspruch vs. Widerspruch
Bis heute ist Jüngers „In Stahlgewittern“ ein Reizthema geblieben. Eine positive Erwähnung des Buches fordert daher den Widerspruch heraus. Bereits 1929 äußerte sich ausgerechnet Erich Maria Remarque positiv und behauptete, dass dieses Buch „einen pazifistischeren Einfluss ausübe als alle anderen“. Und auch Jünger selbst wollte sein Buch nie als Glorifizierung des Ersten Weltkriegs verstanden wissen. Ein Vorwurf traf Jünger jedoch besonders. In den 1970er Jahren erschienen einige Bücher, deren Autoren ihm Empathielosigkeit vorwarfen und ihn als „kalt“ und „gepanzert“ charakterisierten. Zuletzt 2024 versuchte Bernd Springer in seinem Buch „Ernst Jünger und der lange Weg zum ‚Kriegshelden‘“ diesen Vorwürfen zu entkräften.
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